Vis á vis vom Bachdenkmal vor der Thomaskirche wirbt dieses stilvolle Café mit vorzüglichen Leipziger Lerchen aus der eigenen Konditorei. Was hat es damit auf sich?
Im 18. Jahrhundert wurde in Leipzig der Singvogel als Delikatesse verzehrt. Für Giacomo Casanova war diese Spezialität es wert, in seinen Lebensbericht aufgenommen zu werden:
„Da die Leipziger September-Messe (1766) sehr schön war, so fuhr ich dorthin, um zu meiner Kräftigung (sic!) recht viele Lerchen zu essen, die mit Recht sehr berühmt sind."
Der weit gereiste Charmeur hatte sich am Königshof in Dresden aufgehalten und einen Abstecher nach Leipzig gemacht, wo er - wir erwarten nichts anderes - zwei amouröse Abenteuer hatte. Ende des 19. Jahrhunderts verbot Sachsen die Jagd auf Lerchen.
Ein Konditor, ein heller Sachse, ersetzte den gebratenen Vogel durch ein kleines Mürbeteiggebäck, das mit Mandeln, Nüssen und Konfitüre gefüllt wird. In einem langen Gedicht von 1735 werden die Leipziger Lerchen mit den Leipziger Jungfern verglichen:
...
In Leipzig sind zwei Trefflichkeiten,
Worüber alle Fremden schrein,
Das sollen ohne Widerstreiten
Die Jungfern und die Lerchen sein...
Das Lerchenfleisch ist zart und süße,
Und sein Geschmack durchaus beliebt,
Weit zarter aber sind die Küsse,
Die uns ein schöner Engel gibt.
Je mehr an beider Labsal schmecket,
Je mehr es Appetit erwecket.
Der Autor hieß Christian Friedrich Henrici, der das Pseudonym Picander führte. 1727 stellte er für Johann Sebastian Bach die Texte für die Matthäus-Passion zusammen.
Quelle: Marx, Werner: Leipzig. Ein Reisebegleiter. Leipzig 2007