Wie fühlt sich für Sie der Blick in das Paulinum an?
Ich bin sehr zufrieden mit diesem Raum. Ich habe ihn seit fast zehn Jahren in meinem Kopf. Dass er jetzt so schön, so großartig zu sehen ist, das ist natürlich ein Traum jedes Architekten. Ich bin sehr stolz darauf, wie er jetzt aussieht.
Was macht den Universitätsneubau aus?
Der
erste Punkt ist, dass die Universität in der Stadtmitte liegt. Das
ist ja fast unerhört, in dieser Zeit noch die Möglichkeit zu haben,
eine Universität in die Mitte der Stadt zu bauen. Die Studierenden
integrieren sich vollständig in das Stadtleben. Der zweite
außergewöhnliche Punkt ist natürlich, dass man solch ein Gebäude
überhaupt in dieser hohen Qualität bauen konnte.
Und
in dem Sinne habe ich in der Debatte über dieses Haus immer gesagt:
Erkennen Sie den Wert dieses Gebäudes an. Sein Wert liegt nicht nur
in der Architektur, im Stil oder in seiner Vergangenheit, sein Wert
ist das, was wir hier jetzt insgesamt schaffen, das ist
unwiederholbar und einzigartig. Und das muss natürlich hoch
geschätzt werden.
Wo lagen die größten Herausforderungen bei der Planung und in der Bauphase?
Eigentlich war die Planung ziemlich einfach. Die Idee, mit der Kontur des ursprünglichen Gebäudes eine neue Architektur zu schaffen und in diesem Raum die Erinnerung anzusprechen, war eigentlich von Vornherein klar und der Entwurf war eigentlich schnell fertig. Die Herausforderung war natürlich die Umsetzung in die Realität.
Die
Eröffnung war für 2009 zum 600. Geburtstag der Universität geplant
—wo lagen aus Ihrer Sicht die Gründe für die erhebliche
Verzögerung?
In der ersten Phase, wenn alles noch Rohbau und Beton ist, hat keiner etwas einzuwenden. Aber wenn die Fertigstellung näher rückt, kommt jeder mit seinen eigenen Gedanken und Erwartungen herbei, und dann entsteht eine Debatte. Und die Debatte hat natürlich teilweise auch den Bau beeinflusst, denn sie hat dazu beigetragen, dass wir nicht schnell gebaut haben, dass wir mehr Zeit brauchten. Die Leute in Leipzig, die Studierenden, das Finanzministerium, jeder, der mitgearbeitet hat, benötigte mehr Zeit.
Das ist eigentlich ganz gut, weil Qualität nur dann entsteht, wenn man sich die Mühe gibt, etwas Ungewöhnliches umzusetzen, und die Kraft hat, das durchzusetzen. Deswegen ist das auch ein Bau wie kein anderer und eigentlich mehr oder weniger eine logische Bauweise, die zu solch einem Haus gehört. Keine, die man jeden Tag wiederholt, aber einmal im Leben, einmal in der Geschichte einer Stadt ist es nicht schlecht, das zu tun.
Die Debatte betraf nicht zuletzt die Glaswand im Paulinum. Wie haben Sie diese Diskussion erlebt?
Naja, die Debatte war für mich etwas unerwartet. Ich bin ja kein kirchlicher Mensch, aber ich verstehe natürlich, wie empfindlich das für andere sein kann. Die Glaswand war ein Teil meines ursprünglichen Entwurfs, das einzige Element, das von Vornherein feststand: Eine Trennwand, die man öffnen und schließen kann, um die Funktion als Aula und die Funktion als Kirche zu trennen und in einem anderen Moment auch wieder zu verbinden. Diese Dualität gefällt mir sehr. Für mich ist die Glaswand eine Errungenschaft, eine Möglichkeit, den Raum auf verschiedene Art und Weise zu nutzen und die Kunstwerke zu schützen.
Die Einschätzungen zum Neubau schwanken zwischen Lobeshymnen wie „ein ganz großer Wurf” und starker Kritik wie zum Beispiel „falscher Prunk”. Was halten Sie davon?
Wenn das falscher Prunk ist, was ich sehe, wenn ich hier so hoch schaue und mir die Orgel anschaue, dann finde ich das toll und bin sehr zufrieden damit. Für mich ist das nicht falsch, für mich ist das ernsthaft. Das ist nicht nachgeahmt, sondern richtige Qualität. Ich bin sicher, wenn die Leipziger diesen Bau nutzen, werden sie das alles annehmen. Ohne Zweifel, mit oder ohne Kritik, sie werden es lieben.
Man vergleicht gern Alt und Neu, in diesem Fall die alte Universitätskirche mit dem Paulinum. Wie fällt der Vergleich aus Ihrer Sicht aus?
Ich finde meinen Bau natürlich besser. Schauen Sie mal diese wunderschöne Decke an. An dieser Decke haben wir Monate gearbeitet, nur um sie zu entwerfen und genau zu detaillieren. Die alte Decke war natürlich von Hand gemacht, da hatte man noch keinen Computer. Das war natürlich handwerklich alles schön, aber wir haben versucht, präzise zu arbeiten, ganz perfekt, wie es in heutiger Zeit möglich ist. Dass das nicht jeder direkt versteht, glaube ich. Aber keiner wird hier hereinkommen und sagen: „Naja, Herr Egeraat, was haben Sie da für eine Decke gebaut?“ Jeder wird sagen: „Das ist ja wunderschön.“ Vielleicht zu schön. Ich baue lieber etwas zu schön, als dass es mir egal ist, was am Ende herauskommt.
Die vollständige Fassung des Interviews im Wortlaut finden Sie online als Video: www.uni-leigzig‚de/+vanegeraat
The Paulinum and the New Augusteum building were created by the architect Erick van Egeraat from Rotterdam, whose design won an architecture Competition in 2004. In this interview, he explains how happy he is when he sees the completed building and tells us about how he experienced the discussions held during the construction period.
Quelle
Das Leipziger Universitätsmagazin 2018
Platz zum Forschen, Lernen, Leben
Bildnachweis
Kopfbild und Bild 2: Ursula Drechsel
Bild 1: Author
Caisare