Vor
25 Jahren, am 28.02.1993, hatte an der Oper in Bonn der „Freischütz“
von Carl-Maria von Weber Premiere, inszeniert von Giancarlo
del Monaco, die musikalische Leitung hatte Generalmusikdirektor
Dennies Russell Davies. Aber eine Weltpremiere besonderer Art hatten
die von dem Leipziger
Maler Werner Tübke (*
30. Juli 1929 in Schönebeck; † 27. Mai 2004 in Leipzig)
entworfenen Bühnenbilder und Kostüme. Die Ausführung der
Bühnenmalerei übertrug er aber seinen erfahrenen Mitarbeitern,
Eberhard Lenk (* 1951 in Zwickau) und Volker Pohlenz (* 1956 in
Eilenburg).
Beide Maler kannte
Werner Tübke aus der Mitarbeit am Bauernkriegspanorama in Bad
Frankenhausen, beide waren mit Tübkes Stil und Maltechnik bestens
vertraut; weiter konnten vier Bonner Theatermaler für die malerische
Umsetzung dieses über 900 qm umfassenden Projektes gewonnen werden.
Die Arbeit für den
Bonner „Freischütz“ war Tübkes erster großer Auftrag nach
1989, zugleich sein erster großer Auftritt auf der gesamtdeutschen
Bühne. Ähnliches kann man auch von den Mitarbeitern Lenk und
Pohlenz sagen. Vermittelt wurde dieser Auftrag von Giancarlo del
Monaco, der Ende 1990 als Gast an der Oper Leipzig inszeniert hatte.
Er war beim Anblick des Bauernkriegspanoramas so begeistert, dass er
ausrief: „Ja, so soll es sein, so will ich es für den Freischütz.“
Tübke war aber kein
Musikliebhaber, fand klassische Musik, Jazz alles zu laut,
belästigend. Und Oper? „Da schlaf ich sofort ein.“ Der vehemente
Opernverächter ließ sich dennoch auf den Auftrag ein unter der
Bedingung, dass keine Kulissen zur Musik, sondern Malerei parallel
zur Musik geschaffen werden soll – also eine eigene Welt der
Bilder. In seinem Namen, wenn es denn sein muss, mag sich auch eine
Oper abspielen.
Professor Werner
Tübke arbeitete an den Farbentwürfen in seinem Leipziger Atelier,
die er im Sommer 1992 fertigstellte. Diese Malerei war leichtfüßiger,
transparenter als die in Bad Frankenhausen, zarter, kontrastärmer,
insgesamt musikantischer und lyrischer. Als Malsaal diente
den Künstlern im Sommer 1992 großzügige Räumlichkeiten in einer
ehemaligen Jutefabrik. Sie selbst waren bescheiden im
Pförtnerhäuschen untergebracht. Zunächst wurde vier Wochen das
Material, Grundierungs- und Ölfarben getestet und Übungsbilder
gemalt. Eine extra angefertigte Holzwand diente als Großstaffelei.
Dann wurde es ernst:
Wie in Bad Frankenhausen wurde eine konturierte Zeichnung der
Bildvorlage mit einem Fineliner
auf Folie angefertigt, in Planquadrate unterteilt und schließlich
mit dem Tageslichtprojektor auf die grundierte Leinwand projiziert.
Die Konturen wurden mit Binderfarben aufgetragen. In den 9 Monaten bis
zur Premiere mussten die Arbeiten straff organisiert werden. Die
Bonner Malersaalkollegen standen erst Ende August zur Verfügung.
Als erstes wurde die Landschaft für die 1. Szene gemalt‚ gefolgt von der Landschaft der 3. Szene. Ende August 1992 wurde mit dem Spielvorhang begonnen, an dem 10 Wochen gearbeitet wurde.
Danach wurde mit der nächtlichen Landschaft, 2. Szene, begonnen, welche dann im Januar 1993 von Eberhard Lenk allein beendet wurde. Volker Pohlenz begann allein mit der Ausführung der 4. Landschaft im Malersaal auf der Wand. Gegen Ende Januar 1993 kam dann noch Eberhard Lenk dazu, nachdem er seine nächtliche Landschaft im Montagesaal beendet hatte. Etwa Mitte Februar waren die Arbeiten am Freischütz beendet.
Der Wandelprospekt wurde nach der Sommerpause 1992 von der Werkstatt in Angriff genommen und gegen Mitte Dezember 1992 fertig gestellt. Somit wurde flächenmäßig etwa die gute Hälfte des Frankenhäuser Panoramabildes in nur achteinhalb Monaten realisiert, also pünktlich vor der Premiere.
Prof.
Tübke besuchte etwa aller 10 Wochen die ausführenden Maler in Bonn,
um sich über den Fortgang der Arbeiten zu informieren. Kurz vor der
Premiere war er dann länger mit am Set.
Die
Erwartungen für diese Inszenierung waren natürlich sehr hoch.
Für
die Premierenbesetzung konnte u. a. für die Rolle des Max der Tenor
René Kollo gewonnen werden. Die Agathe sang die Norwegerin Turid
Karlsen, das Annchen die Österreicherin Eva Lind, alles bekannte Sänger in
der Opernszene. Weitere 20 Vorstellungen standen bis zur Sommerpause
1993 noch auf dem Spielplan. Wie das so üblich ist, gibt es für
solche Inszenierungen noch eine Zweitbesetzung, weil die Stars
wiederum Verpflichtungen an anderen Häusern hatten.
Diese Inszenierung soll doch brav gewesen sein. Lediglich beim Schlussbild mit dem Jägerchor wurde im Vordergrund ein Maler an der Staffelei eingebaut, der praktisch das gesamte Bühnenbild mit Personal auf die Leinwand bannt. Letztendlich hat das opulente Bühnenbild die wohl eher mittelmäßige Inszenierung gerettet. Als Fazit stand dann auch in der Bonner Rundschau vom 2.3.1993: „Das Gute, was man nicht hörte, hatte man wenigstens gesehen.“ Im Feuilleton des Bonner Generalanzeigers vom 2.3.1993 war abschließend zu lesen: „Der Schlussbeifall war freundlich, aber nicht sonderlich groß. Dennies Russell Davies musste eine Menge Buhs verkraften, für den Regisseur Giancarlo del Monaco gab es neben Beifall und Buhs auch einige Bravos, und der Malerstar aus Leipzig, Werner Tübke, der mit seinen mehr als 900 qm Ölmalerei den spektakulärsten Anteil an der Produktion hatte, wurde gar herzlich gefeiert.“
In einem Interview im Februar 1993 erklärte der große Meister Werner Tübke:
„Der ganze „Freischütz“-Zyklus wird zusammen bleiben, einschließlich der Skizzen, Vorzeichnungen, Figurinen...“ Heute befinden sich die gesamten Vorarbeiten Tübkes zum Freischütz im Panorama-Museum in Bad Frankenhausen.
Bildnachweis
Volker Pohlenz
Herrn Hans-G. Marschner ist für seine technische Unterstützung zu danken.